Zu manchen Fernsehern muss ich mir die Beschreibung zäh aus den Fingern leiern, bei anderen sprudelt der Text nur so. Wie zum Beispiel bei diesem einzigartigen SONY KV-4SV1 („Side Story“) alias SONY WatchCube KVX-370 aus dem Jahr 1988. Mit geringfügigen technischen Änderungen und einer scheckkartengroßen Fernbedienung gab es den Würfel darüber hinaus unter der Bezeichnung SONY KV-4SV2 ("from good mornning to good night"). Dieser kostete 1989 laut Datenblatt 58.000 Yen, das waren damals rund 830 DM. Der Neupreis der US-Variante KVX-370 lag bei 399 Dollar, im Versandhandel wurde er 1989 für 339 Dollar angeboten. Heutzutage werden für gebrauchte Exemplare auch gerne mal mehr als 1.000 US-Dollar aufgerufen.
Aber warum überhaupt einzigartig? Der
WatchCube ist einer von nur zwei jemals angebotenen Minifernsehern mit einer so genannten
Index-Bildröhre (der andere ist der
SANYO 30CTV1), deren Entwicklung bereits in den
1950er Jahren
begann, aber nie so richtig „zündete“. Durch den Einsatz von nur einer, statt üblicherweise drei, Elektronenkanonen und dem Entfall der
Schattenmaske
war sie - zumindest auf dem Papier - viel energieeffizienter und unkomplizierter, als eine herkömmliche Farbbildröhre. Letztlich scheiterte
der Durchbruch der Indextron-Röhre aber an einer Vielzahl von
ungelösten technischen Herausforderungen und prinzipbedingten Nachteilen, wie zum Beispiel einem
vergleichsweise schwachen Kontrastverhältnis. Bei der Röhre des WatchCube
liegt dieses bei lediglich 1:50, eine normale Bildröhre schaffte
schon damals typischerweise mindestens
1:200. Der WatchCube ist aus zwei Gründen sehr selten: Offenbar hatte SONY die Herstellung nicht so wirklich im Griff und aufgrund der Vielzahl von Reklamationen die Produktion entsprechend schnell zurückgefahren. Zweitens kamen - wie bei anderen SONY Produkten, z.B. dem eleganten Weltempfänger ICF-SW1 - teilweise untaugliche Miniaturkondensatoren zum Einsatz, die viel zu schnell austrockneten oder im schlimmsten Fall ausliefen und Platinen beschädigten. Da vermutlich nur wenige Kunden bereit waren für so eine zeitintensive Reparatur („complete recap“) entsprechendes Geld zu bezahlen, dürften viele dieser ohnehin raren Kisten im Sondermüll gelandet sein. |
Dabei sind die technischen Eckpunkte durchaus beeindruckend:
Indextron-Farbbildröhre mit 4 Zoll Diagonale (sichtbar sind etwa 3,7
Zoll, also rund 94 mm), schaltbarer A/V-Eingang über Chinch-Buchsen,
Kopfhörer und Antennenanschluss per 3,5 mm Klinke, Sleep-Timer. Dreizehn Tasten und
zwei Schiebeschalter an der Oberseite, ein Teil davon
unter einer Klappe
verborgen. Vier Drehregler für Kontrast, Helligkeit, Farbintensität und
Farbton an der Unterseite. Dank einer akkugestützten
Uhr taugt der WatchCube auch als Wecker. Sein klappbarer Fuß ermöglicht
eine leicht schräge Positionierung. Ein Batteriefach gibt es nicht, die Stromversorgung erfolgt stets über eine externe Quelle. Achtung: Die Buchse erwartet 12 Volt mit Minus am Mittelstift. Die Schutzdiode D651 gegen Verpolung scheint nicht in allen Modellen bzw. Chargen vorhanden zu ein. |
Ein kanadischer Elektronikspezialist hat in seinem YouTube-Kanal eine Menge Informationen zum KVX-370 zusammengetragen und sehenswert präsentiert. Unter anderem erklärt er die Besonderheit der Index-Röhre und veranschaulicht das Problem der auslaufenden Elektrolytkondensatoren. Zum Glück ist - Jérôme Halphen, einem langjährigen Freund aus Paris, sei Dank - das komplette Servicemanual zu den Geräten verfügbar. Darin finden sich auch die wichtigsten Punkte zur Bedienung. Wer der chinesischen Sprache mächtig ist, hat bestimmt seine Freude an diesem Video, auch wenn der Autor gegen Ende ziemlich wild auf dem Würfel herumdrückt. Das grundsätzliche Funktionsprinzip einer Index-Bildröhre wird in jenem Video (ab etwa 6:30) anschaulich am Beispiel eines 1,25-Zoll-Farbsuchers von Hitachi erläutert - auch wenn die dort eingesetzte Röhre H6289 (insbesondere hinsichtlich der Sensorik) ein wenig anders aufgebaut ist, als die im WatchCube.
Mein WatchCube wurde in der ersten Jahreshälfte 1988 hergestellt und ist optisch ganz gut in Schuss, hat keine großartigen Kratzer, auch nicht auf der Frontscheibe. Die Beschriftung ist astrein und der (übrigens 1982 erdachte) Aufkleber „It’s a Sony“ ist ebenfalls noch fit, ebenso die Teleskopantenne. Lediglich auf der rechten Gehäuseseite finden sich eine paar komische „Schmarrer“, als hätte jemand unbeholfen mit einem Lötkolben hantiert. Die Cinch-Buchsen an der Rückseite sind altersbedingt ein bisschen korrodiert. Wie es innendrin mit den Kondensatoren aussieht, habe ich noch nicht untersucht.
Das beiliegende (japanische) Steckernetzteil vom Typ AC-41 liefert laut Label maximal 1,2 A bei 12 Volt, also 14,4 Watt. Da es sich um ein konventionelles Netzteil mit einem „dicken“ Trafo handelt, wiegt es heftige 550 Gramm. Das Pendant für die US-Version hört auf den Namen AC-42 und liefert 1,3 Ampere.
Der SONY KV-4SV1 war in den Farben Schwarz, Weiß und Blau erhältlich und verbraucht laut Typenschild bis zu 14 Watt (KVX-370: 15,6 Watt). Jedes der Modelle misst 133 * 133 * 152 mm und wiegt rund 1,3 kg. Made in Japan zwischen 1988 und 1989.
Gebrauchswert:Sammlerwert:
P.S. Wenn man großzügig ist, kann man durchaus behaupten, dass es noch mehr portable Indextrons gab, als nur die oben aufgeführten Modelle von SANYO und SONY. Denn letzterer hatte noch eine weitere Indextron-Röhre im Programm, die ausschließlich im Segment "Automotive" angeboten wurde. Zum einen im SONY XKV-55 für den flexiblen Einsatz und zum anderen im SONY XAV-U50 bzw. SONY XAV-U51 für den Festeinbau im Fahrzeug.